Interview mit Marcus Beran
Als Koch zöliakiebetroffen – Wie klappt das? Marcus Beran berichtet von seiner Tätigkeit als Koch und vom Leben mit Zöliakie
Scheidegg-Tourismus: Herr Beran, wissen Sie noch, was Sie gedacht haben und wie Sie reagiert haben, als Sie die Diagnose erfuhren?
Beran: Ich war damals 15 Jahre alt und weiß es noch, als wäre es gestern gewesen. Zuerst hat mein Hausarzt mir die Diagnose und deren Folgen falsch erklärt. Er sagte, ich dürfe kein Weißmehl, also keine Pasta und keine Burger mehr essen und vor allem kein Bier mehr trinken. Also alles, worauf man in der Pubertät abfährt. Da bin ich aufgestanden und habe dem Arzt meine Meinung gesagt: Dass ich das bestimmt nicht mache und er mir eine Pille gegen Zöliakie verschreiben soll. Aber ein Mittel gegen Zöliakie gibt es nun eben mal nicht.
Scheidegg-Tourismus: Als Sie die Diagnose dann etwas verarbeitet hatten, haben Sie sich dann glutenfrei ernährt?
Beran: Zuerst habe ich auf meine Leberkässemmeln, mein Bier oder das, worauf ich Lust hatte, nicht verzichtet. Aber dann hatte ich immer wieder Kreislaufzusammenbrüche, habe stark abgenommen, hatte immer Verdauungsprobleme. Ich bin am Wochenende nicht mehr mit den Freunden fortgegangen, weil ich mich kraftlos fühlte und mich nach dem zweiten Bier übergeben habe, und zwar nicht, weil ich betrunken war. Ich habe mich immer mehr sozial isoliert und kam an einen Punkt, an dem es so nicht mehr weiterging.
Scheidegg-Tourismus: Und ab diesem Zeitpunkt haben Sie dann Ihre Ernährung umgestellt?
Beran: Nicht direkt. Zunächst habe ich eine Kur gemacht. Das, was ich dort über Zöliakie und die dementsprechende Ernährung lernte, war für mich aber nicht sonderlich hilfreich. Allerdings habe ich dort eine andere Betroffene kennen gelernt und das hat mir die Augen geöffnet. Bei ihr wurde Zöliakie 30 Jahre lang nicht diagnostiziert, in der Folge magerte sie völlig ab. So wollte ich nicht enden und stellte meine Ernährung um.
Scheidegg-Tourismus: Ist dadurch auch der Wunsch entstanden, Koch zu werden?
Beran: Nein, Koch wollte ich schon werden, seitdem ich 11-12 Jahre alt war. Da ich mit 15 Jahren mit der Schule fertig war, habe ich als erstes eine Ausbildung zum Metzger gemacht. Währenddessen bekam ich die Diagnose. Meinen Wunsch Koch zu werden, verfolgte ich aber weiter.
Scheidegg-Tourismus: War es denn so einfach möglich als Zöliakiebetroffener eine Ausbildung zum Koch zu machen? Immerhin können Sie nicht alles essen, was zubereitet wird.
Beran: Ich habe direkt im Vorstellungsgespräch offen angesprochen, dass ich Zöliakie habe und nicht alles probieren kann, was ich koche. Mein Ausbilder, Herr König, fragte mich, ob das für mich ein Problem sei, für ihn sei es keines. So bekam ich meinen Ausbildungsplatz.
Scheidegg-Tourismus: Und wie haben Sie das dann mit dem Probieren gemacht? Man muss ja immerhin wissen, wie das, was man kocht, schmeckt.
Beran: Meine Kollegen haben meine Gerichte probiert und mir Feedback gegeben. So hatte ich das Problem gelöst.
Scheidegg-Tourismus: Herr Beran, Sie als zöliakiebetroffener Koch sind ja nun echter Experte beim Thema glutenfreies Kochen und Backen. Was muss man Ihrer Meinung nach bei der Zubereitung glutenfreier Speisen besonders beachten?
Beran: Für mich bedeutet Kochen vor allem eine ausgewogene Ernährung und die Frage, welche Nährstoffe ich meinem Körper zur Verfügung stelle. Manche Zöliakiebetroffene neigen dazu, sich nach der Diagnose sehr einseitig zu ernähren. Weil sie es nicht anders wissen, essen sie zum Beispiel immer nur glutenfreie Nudeln. Das ist eben einfach. Keine Kartoffeln, kein Reis. So kann es zu einem Mangel an Nährstoffen kommen. Deshalb ist es meiner Meinung nach sehr wichtig, dass man auf eine ausgewogene Ernährung achtet. Und das ist trotz Zöliakie kein Problem. Heutzutage gibt es auch ein breites Angebot an verschiedenen glutenfreien Mehlen. Hier muss man einfach ausprobieren, womit man am besten zurechtkommt und was einem am besten schmeckt.
Scheidegg-Tourismus: Gibt es glutenhaltige Lebensmittel, die Sie heute noch vermissen?
Beran: Nein, seitdem es auch glutenfreies Bier gibt, fehlt mir eigentlich nichts mehr. Wenn ich auf etwas Bestimmtes Lust habe, stelle ich mich in die Küche und probiere solange aus, bis es passt. Man kann alles glutenfrei zubereiten, das vermittele ich den Betroffenen auch immer in meinen Kochkursen. Brezeln und Croissants sind vielleicht etwas schwieriger, aber das kann man bei mir lernen.
Scheidegg-Tourismus: Es gibt also gar nichts, was Sie unbedingt mal gerne essen würden?
Beran: Nein, wirklich nicht. Aber es fehlt mir an Akzeptanz und Wissen um die Krankheit in der Gesellschaft. Wenn man Zöliakie hat, ernährt man sich nicht aus Spaß glutenfrei oder weil man einem bestimmten Ernährungstrend folgt. Das verstehen manche Menschen nicht direkt. Und was mir natürlich auch fehlt, ist, dass ich nicht spontan mal eben irgendwo essen gehen kann, dass ich mir keinen Döner holen oder mich am Frühstücksbuffet im Hotel einfach bedienen kann. Aber hier in Scheidegg ist das ja anders. Ich finde es toll, dass es hier so ein breites Angebot für Zöliakiebetroffene gibt und man die Zeit sorgenfrei glutenfrei verbringen kann. Wenn ich sonst unterwegs bin habe ich auch immer Protein- und Kohlenhydratriegel dabei, damit ich genügend zu essen bekomme.
Scheidegg-Tourismus: Herr Beran, möchten Sie den Betroffenen noch etwas mit auf den Weg geben?
Beran: Ja, man darf sich von der Diagnose nicht ernüchtern lassen. Glutenfreies Essen ist super lecker, man muss sich nur damit beschäftigen. Also, einfach loslegen!
Scheidegg-Tourismus: Vielen Dank für das interessante Interview, Herr Beran.